Glaßbrenner, Komischer Volkskalender für 1849


Gerne liefere ich Ihnen eine Inhaltsangabe des »Komischer Volkskalender für 1849« von Adolf Glaßbrenner.

Dieser Kalender ist ein satirisch-politisches Werk, das die Ereignisse und Stimmungen des Revolutionsjahres 1848 und die reaktionären Tendenzen, die sich bis 1849 verfestigten, humoristisch und kritisch kommentiert.

Allgemeine Angaben und Einleitung

Der Kalender beginnt mit einer humorvollen Chronologie, die das Erscheinungsjahr 1849 in den Kontext weltgeschichtlicher (z. B. 1849 Jahre seit der Geburt Christi), naturwissenschaftlicher (00000000000. Jahr seit Anfang der Ewigkeit) und politischer Ereignisse (409 Jahre seit Erfindung der Buchdruckerkunst; 2 Jahre seit der französischen Republik und der Erhebung des deutschen Volkes) stellt.

Die politischen Anspielungen setzen sich in den Himmlischen und Irdischen Zeichen fort:

  • Die 12 himmlischen Zeichen sind Tugenden und progressive Konzepte wie Weisheit, Freiheit, Milde, Fortschritt und Aufklärung.
  • Die Sonne steht für Geist, Freiheit und das Auge Gottes, während die Planeten satirisch für negative politische und menschliche Eigenschaften stehen: Merkur für Habsucht, Geiz, Reaction; Mars für Kampf, Haß, Rohheit; Jupiter für Gewalt, Willkühr, Tyrannei; Saturn für Egoismus, Eitelkeit, Schwäche; und Uranus für Dummheit, Vorurtheil, Knechtsinn.

Der Kalender enthält eine Definition politischer Abkürzungen, die alle auf die Verkürzung der Arbeitszeit, Militärdienstzeit, Gehälter und Pensionen abzielen, sowie die Reduktion von Hofgesindel, Bürokratie, stehenden Heeren und Prozessen.

Eine Kurze deutsche Verfassung wird vorgestellt, die die Deutschen als freie Brüder definiert, deren Gesetz der vernünftige Wille des Einzelnen ist. Sie konstatiert: »In der Despotie wurden wir regiert, in der Constitution werden wir beherrscht, in der Republik muß sich das Volk selbst beherrschen.«.

Der Kalender-Prophet und der Jahresüberblick

Der Prophet dieses Kalenders (Brennglas, der Sohn Glaßbrennerii) richtet das Wort an das Volk. Er merkt an, dass die Zeit »schwer geworden und ernst« ist und »die That widerspricht dem Wort und das Wort der That«. Er erklärt, dass seine Weissagung sowohl das umfassen wird, was geschehen wird, als auch das, was nicht geschehen soll, um die Wahrheit vor der im Finstern schleichenden Lüge zu bewahren.

Die Monatsabschnitte (Januar bis Dezember) sind als satirische Tagesprognosen gestaltet, die politische Ereignisse in Deutschland und Europa für das Jahr 1849 vorwegnehmen. Oft enthalten sie Wunschdenken der Revolutionäre, das mit zynischen Anmerkungen oder dem erwarteten reaktionären Ausgang kontrastiert wird:

Ausgewählte satirische Ereignisse (Prophezeiungen für 1849):

  • Januar: Wegen der Witterung, die »so beschaffen sein wird, daß keine Volksversammlungen stattfinden«, kriegt die Reaction Oberwasser. Es wird die Abdankung des Kaisers von Österreich und die Hinrichtung von Demagogen wie Mathy und Bassermann verkündet. Der Prediger Sydow soll über »Eine jute jebratne Jans is eine jute Jabe Jottes« predigen.
  • Februar: Das Schriftstellern wird in Bayern und Hessen mit zwei Jahren Zuchthaus belegt. Der hohe Deutsche Adel erklärt die »frühere Ordnung und Ruhe« für wiederhergestellt. Das Wort »Reaction« wird durch ganz Deutschland verboten, weil sie angeblich nicht möglich sei.
  • März: Unerwarteter Kosacken-Besuch in Preußen. Die »Nachrichten aus dem Reiche Gottes« melden offiziell die Einführung der Constitution im Himmel. Ganz Deutschland wird in Belagerungszustand erklärt. Es gibt eine feierliche Hinrichtung Sr. Majestät des Königs Ferdinand von Neapel. Es kommt zum dritten gewaltigen Stoß des Staatsbebens, bei dem Preußen in Deutschland aufgeht. Die Königinnen Isabella und Christine von Spanien werden Allerhöchstpersönlich weggejagt.
  • April: Die reichen Bürger übersenden 500 Millionen Taler an die provisorische Regierung. Es folgt eine Revolution in London und die Aufhebung der englischen Aristokratie. Sämtliche Thronhimmel Deutschlands werden in der Walhalla verpfändet. Die Republik Amerika schenkt der deutschen 10 Kriegsschiffe. Die Türken werden vertrieben und die Türkei unter dem Namen »Neu-Deutschland« an »unsre Armen zur Ansiedlung übergeben«.
  • Mai: Die europäischen Präsidenten kommen in Frankfurt zusammen und umarmen sich im Namen ihrer Nationen. Die Rothschilds werden, mit Ausnahme ihres Vermögens, aus Europa verbannt.
  • Juni: Der frühere Kaiser von Knutland (Russland) zieht mit sämmtlichen sibirischen Gefangenen gegen Petersburg. Die deutsche Kriegsflotte geht bei Nürnberg unter.
  • Juli: Der Prinz von Preußen besteigt den Thron seiner Väter. Der Kaiser von Süddeutschland, Rothaan I. (General der Jesuiten), wird todgeprügelt.
  • August: Eine Allerhöchste Cabinetsordre erklärt: »Deutschland geht fortan in der Polizei auf.«. 3115 Demokraten werden in Thüringen niedergeschossen, die Ruhe und Ordnung ist jedoch »weiter nicht gestört«. Der frühere Bundestag wird unter dem Titel »Deutscher Polizeitag« wiedereingesetzt.
  • September: Es kommt zur Aufhebung sämmtlicher deutschen Spielhöllen mit Ausnahme Frankfurts. Der »Kladderadatsch« schlägt den »Lamartine« bei einem adligen Prinzip-Wettrennen.
  • Oktober: Fr. Hecker steht plötzlich in Mannheim. Es regnet Hiebe.
  • November: Der Demokratissimus (eine neu entdeckte, brennendrote politische Farbe) wird entdeckt und beschließt, dass Geist und Talent deportiert werden müssen, da sie die Gleichheit stören.
  • Dezember: Christus flieht nach England. Die Gläubiger vernichten ihre Schuldbücher auf dem Altar des Vaterlandes. Am 25. Dezember wird Christus in London zwischen Metternich und Jarke gekreuzigt. Am letzten Tag geht diese verrückte Welt unter, während die Menschheit Punsch trinkt.

Weitere satirische Texte und Anhänge

Der Kalender enthält umfangreiche Anhänge, die die politische Stimmung und die Konterrevolution beleuchten:

  1. Raritäten von 1848: Eine Reihe von Spottgedichten, die die Flucht von Metternich und König Louis Philippe, die Märztage in Berlin, die Paulskirche, und den Verrat an Schleswig-Holstein karikieren.
  2. Sylvesterrausch eines Berliner Arbeiters (Frischer): Ein detaillierter Prosatext, in dem der Arbeiter Frischer im Punschrausch über die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schwadroniert und die Revolution von 1848 feiert. Er beklagt den Umweg, den Gott genommen hat, die Welt nicht gleich frei zu schaffen. Er bezeichnet sich selbst als »König Frischer von Jottes Jnaden der Erschte« und resigniert, da er der Nation nicht nützlich sein kann. Der Text endet mit seinem Einschlafen auf der Straße.
  3. Der gute, stammelnde Unterthan: Ein satirisches Lied, das die blinde Untertänigkeit persifliert und die Verachtung des Volkes für die Polizei, die Pfaffen und den Adel zum Ausdruck bringt.
  4. Rede des deutschen Reichsnarren: Der Narr spricht im Namen des neu gewählten, unverantwortlichen Kaisers. Er erklärt, dass die Kaiserkrone eine Collectivkrone ist, die alle Fürsten gemeinsam tragen. Er bekräftigt, dass das Volk durch die Revolutionen jede Freiheit errungen hat, »also auch die der Kaiserwahl«. Er kommentiert zynisch die Pressefreiheit (sie sei mit einem Criminalrichter auf dem Rücken verbunden), das Versammlungsrecht (die Polizei muss vorher wissen, ob man sich versammeln will), die Abschaffung des Adels (nur das tättowierte »Von« blieb), und die stehenden Heere (die zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung vergrößert wurden, um den Bürger zu schützen).
  5. Gähnereien eines Blasirten: Ein melancholisch-philosophischer Essay, der die Langeweile (Aach!) der Existenz, die »Ameisenkriecherei« der Gesellschaft und die verderbliche Rolle des Ernstes (im Gegensatz zum Humor) und der Pfafferei für die Menschheit behandelt. Der Ernst sei die größte Sünde, da er nicht mitgegeben wurde.
  6. Neuer Gesang des deutschen Michels: Ein satirisches Lied, dessen Refrain »Immer’n Bisken zurück« die zunehmende reaktionäre Stimmung im Volk und die Abkehr von den revolutionären Forderungen karikiert. Michel fürchtet die Republik, weil »wir ja gar keenen Keenig mehr!« hätten. Er klagt über die »Autonomie« und die sinkenden Papierpreise. Er schließt mit der Sehnsucht: »Lieber Jott, schick‘ uns wieder den Metternich!«.
  7. Aus dem Denkbuche eines Hofmannes: Eine satirische Auflistung von Euphemismen, die zeigen, wie Höflinge (Hofmann) grobe Wahrheiten (z. B. »Der Kerl ist verrückt!«) in unverfängliche Floskeln (z. B. »Jener Herr leidet an ununterbrochener Zerstreuung.«) umformulieren.
  8. Logische Beweise für die Nothwendigkeit der Staatsdiener, Künstler etc.: Eine Reihe von absurd-logischen Beweisketten, die die Notwendigkeit aller möglichen Stände (Ärzte, Banquiers, Diplomaten, Fürsten, Literaten, Schutzmänner etc.) durch ironische Umkehrungen belegen. Zum Beispiel: »Gäbe es keine Fürsten, so wäre die ganze Welt Republik; wäre die ganze Welt Republik, so existirten auch keine Fürsten mehr: Fürsten existiren aber noch, ergo muß es auch Fürsten geben«.
  9. Aus dem Cataloge der nächsten deutschen Kunst-Ausstellung: Eine Liste fiktiver Gemäldetitel, die die politischen Ereignisse von 1848/49 satirisch verarbeiten (z. B. »DIE DEUTSCHE EINIGKEIT, Quodlibet, in aqua tinta«, »DER DEUTSCHE FRÜHLING. Winterlandschaft«, »REAKTIONÄRE, WEIDEND. Staffage ohne Landschaft«).
  10. Aus Herrn Rentier Buffey’s Tagebuche: Ausschnitte des Rentiers Buffey, der die Revolution von 1848 begeistert (»Wir sind frei!«), aber auch mit bürgerlicher Engstirnigkeit und Verwirrung kommentiert. Buffey beschreibt die Aufregung in Berlin nach den Märztagen und seine Schwierigkeiten, seinen Sohn Willem zu erziehen, der anfängt, »Freiheit« zu spielen.
  11. Börse der Welt 1849: Eine satirische Übersicht über die Kurse wichtiger politischer und gesellschaftlicher Werte, wobei Freiheit, Revolution und Democratismus auf Höchststand stehen, während Fürsten, Adel und der Bundestag dramatisch gefallen sind. Werte wie Egoismus und Sinnlichkeit behielten ihre angenehme, stabile Haltung.

Adolf Glaßbrenner [Pseudonym: Adolf Brennglas], Komischer Volkskalender für 1849. Mit vielen Illustrationen von Th. Hosemann. Berlin: Expedition des komischen Kalenders, [o.J.; 1850?].