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Der „März-Almanach“ von Adolf Glaßbrenner enthält politische Satiren zu vielen Themen.
Die „Neuesten Nachrichten“ berichten ironisch über die politischen Zustände in Europa. In Frankfurt am Main plant der Bundestag, sich in einen „siebenköpfigen Drachen“ zu verwandeln, während Reichskriegsminister v. Peucker eine entscheidende Schlacht gegen das deutsche Volk vorbereitet. In Neapel wurde ein neuer, geschmackvoll eingerichteter Galgen mit purpurnem Samt überzogenen Stufen fertiggestellt. Österreichs Verbindung mit Russland und die erneute Freundschaft mit Metternich dienen als Beweis für die „aufrichtige Gesinnung unsres erhabenen Adels“. Sogar der Zar von Russland profitiert von der Erfindung der „Dampf-Prügel-Maschine“, da die Zahl der zu Prügelnden täglich zunimmt. Die satirischen Berichte zeigen die Rückkehr zum Absolutismus und die Verhöhnung der Volksrechte, beispielsweise in Mecklenburg, das zur Adels-Kolonie erklärt wird.
Ein zentrales Stück ist das Gedicht „Der deutsche Kaiser. Eine Vision.“. Es parodiert die Wahl eines Kaisers (Gottlieb I.) durch den Fürstenbund, der aufgrund seiner „prachtvollen Nase“ gewählt wird. Kaiser Gottlieb ist von kleiner Statur, und seine Krone wackelt und muss mit einem Riemen unter dem Kinn festgeschnallt werden. In seiner Rede beabsichtigt er, die Macht seines Reiches zu beschirmen und die Feinde zu zerschmettern, verwechselt aber zuerst die Worte und sagt, er werde „die feindliche Macht“ beschirmen und „die Größe Deutschlands zerschmettern!“. Obwohl er eine bürgerliche Lebensweise und eine geringe Zivilliste (30 Taler pro Monat) verspricht, zeigt er sofort despotisches Verhalten, als er im Wirtshaus der Kellnerin in die Wangen greift und daraufhin seine Minister die Verantwortung übernehmen müssen, weil seine Person „unverletzlich“ ist. Die Vision endet damit, dass der Kaiser schläft und Deutschland einig und mächtig erscheint – ein Traum, aus dem der Erzähler jedoch erwacht.
Im Abschnitt „Im Friedrichshain“ erfolgt eine ernste Würdigung der Gefallenen des 18. und 19. März, deren Andenken bereits durch die „Nachtvögel der Reaction“ und „hündischer Gemeinheit“ beschmutzt werde. Die toten Helden lebten und starben für Freiheit, Vaterland und Menschheit und leben ewig in den Herzen weiter.
Die Sammlung charakterisiert detailliert „Der neue deutsche Philister“. Dieser Typus ist „zufrieden“ und lehnt Neuerungen ab. Er wünscht sich insgeheim den „Polizei-Schutz der absoluten Monarchie“ zurück und versteht unter „Republik“ Mord und Totschlag. Er setzt „Ordnung“ mit der „ganze volle Nichtswürdigkeit der alten Zustände“ gleich.
Die Szene „Eine Volks-Kammer“ karikiert die Versuche zur konstitutionellen Ordnung im Berliner Dialekt. Erdarbeiter gründen eine Kammer, in der Auseinandersetzungen über Wahlmodelle stattfinden. Polker argumentiert für eine indirekte Wahl mit hohen Zensusanforderungen (30 Jahre alt, männliche Gattung, 500 Taler jährliches Einkommen), basierend auf einer verworrenen Geschichtstheorie über Adam und Eva. Die gewählten Mitglieder der Ersten Kammer (Adlige und Reiche) bekunden offen ihre reaktionäre Gesinnung. Präsident Schlundowsky beendet die Sitzung mit einer lächerlichen Eröffnungsrede, die mehrfach das reaktionäre Schlagwort wiederholt: „Ohne Ordnung un Jesetz is keene Freiheit möglich!“.
Weitere Beispiele der Satire sind der Entwurf einer „Hunde-Verfassung“ für Oheu, die zwar „Hundefreiheit“ verspricht, diese aber durch die Pflicht zum ständigen freudigen Wedeln und strenge Leinenpflicht sofort wieder einschränkt. Auch die Autoritäten werden verhöhnt: Hohe Gerechtigkeit wird mit „Brandenburg“ und Väterliche Liebe mit „Wrangel“ übersetzt; Weisheit ist „Kanonen“.
Im Kontrast zur Satire steht die ernste „März-Note des deutschen Volkes“ an die deutsche Kamarilla, die die Diplomatie verdammt und klarstellt: „Der Staat sind Wir!“. Die Note wirft der Kamarilla Verrat und „Jesuitenränke“ vor und bekräftigt den Willen des Volkes zu „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“.
Zusammenhang zur Revolution (KI-Darstellung):
Die vorliegende Quelle, der „März-Almanach“ von Adolf Glaßbrenner, der für die Jahre 1849 – 1850 konzipiert wurde, behandelt die Revolution von 1848 nicht nur als historisches Ereignis, sondern vor allem im Hinblick auf deren Scheitern und die darauffolgende „Reaction“ (Reaktion).
Die Revolution von 1848 und ihre Folgen werden in folgenden Texten und Abschnitten thematisiert:
I. Direkte Erwähnungen und Chronologie der Revolution
- Das Motto: Das ironische Motto „Immer’n bisken zurück, immer’n bisken zurück / Zu det alten Unterthanenjlück!“ spielt direkt auf den Rückschritt nach den revolutionären Ereignissen von 1848 an.
- Die Märztage: Die blutigen Kämpfe in Berlin sind ein wiederkehrendes Thema:
- In der Szene „Berliner Abend-National-Versammlung unter den Linden“ fragt ein Betrunkener, ob man den „18. un 19. März“ nur gehabt habe, um noch unter den Linden spazieren gehen zu können, oder ob es umsonst war.
- Der Abschnitt „Im Friedrichshain“ ehrt die Gefallenen als die „Seligen“ und „Heldenbrüder vom 18. und 19. März“, die ihr Leben für „Vaterland und Menschheit“ einsetzten.
- Der Bundestag: Es wird satirisch auf den Bundestag verwiesen, der am 9. März 1848 die Herbeiziehung von Vertrauensmännern beschloss.
- Der König und die deutsche Einheit: In der Rede des Erdarbeiters Niese wird auf die Aussage des Königs im März verwiesen, dass „Preußen in Deutschland ufjejangen is“.
- Europäische Revolution: Der Almanach spielt auf die gesamte europäische Revolutionswelle an, indem er etwa die Flucht von König Louis Philipp nach England und den Sturz Metternichs nennt, was er als „Ungnadenstoß“ gegen die Diplomatie der Jahre 1815 bis 1848 beschreibt.
II. Die Satire auf die Reaktion und verlorene Freiheit
Ein Großteil des Almanachs widmet sich der politischen Desillusionierung, die nach 1848 eintrat, wobei die „Reaction“ als Hauptfeind dargestellt wird:
- Der Friedrichshain: In der ergreifenden Passage über den Friedrichshain wird beklagt, dass bereits kurz nach der Beerdigung der Helden „die Nachtvögel der Reaction krächzten“ und die „Gespenster der Sklaverei grinzten“ über den Gräbern.
- Verlorene Rechte: Der Abschnitt „Verlorene und gestohlene Sachen“ listet zentrale Forderungen und Errungenschaften der Revolution, die bereits wieder aufgehoben wurden: Habeas-Corpus-Acte, Pressfreiheit, Associationsrecht, Volkssouverainetät, Volksbewaffnung und Gerechtigkeit.
- Unterdrückung durch Militär und Polizei:
- Die neue „Hunde-Verfassung“ parodiert die oktroyierte Freiheit nach der Revolution. Freiheit ist zwar garantiert, aber „ohne Ordnung und Gesetz nicht möglich“. Hunde, die knurren, werden standrechtlich erschossen.
- Die neuen Polizeikräfte, die Constabler, werden als allgegenwärtig beschrieben. In Wien wird die „Dampf-Prügel-Maschine“ satirisch erwähnt, da die Zahl der zu Prügelnden mit der „beginnenden Aufklärung“ wächst.
- Der neue deutsche Philister: Diese Textstelle beschreibt den Typus des Bürgers, der früher heimlich liberale Bücher las, nun aber die Freiheit als „viel zu unruhig“ empfindet und sich innerlich den Polizeischutz der absoluten Monarchie zurückwünscht. Für ihn bedeutet „Republik“ „Mord und Todtschlag“.
III. Parlamentarismus und Verfassungsdebatte
Die politischen Institutionen, die aus der Revolution hervorgingen oder in ihrem Schatten entstanden, werden umfassend satirisiert:
- Die Erdarbeiter-Kammer: Die Szene „Eine Volks-Kammer“ [40 ff.] parodiert die preußische Nationalversammlung, die sich ab 1848 konstituierte, indem Arbeiter in Berlin sich eine Tribüne aus Karren bauen und über das Zweikammersystem und das Zensuswahlrecht (Sensus) diskutieren.
- Die Erste Kammer: Sie wird als Ausdruck der Reaction und des Adels verhöhnt. Die Abgeordneten sind reich und von „äußerste[r] Rechte“. Ein Minister, der dort zugegen war, rief nach dem Schluss verzweiflungsvoll: „Und darum Räuber und Mörder!“.
- Die Deutsche Nationalversammlung (Paulskirche): Die Forderung von Welcker und Mittermaier, Feuersäulen zum Beginn des Parlaments (18. Mai 1848) aufsteigen zu lassen, endete satirisch damit, dass das Feuer durch die „Thränen der getäuschten Nation“ erlosch.
- Die Märznote: Die „März-Note des deutschen Volkes an die deutsche Kamarilla“ ist eine radikale, nicht-diplomatische Erklärung, in der das Volk das Jahr 1848 als den Moment betrachtet, in dem es feststellte: „Der Staat sind Wir!“. Diese Note ist eine Abrechnung mit der „historischen Hexe“ (der Kamarilla), die nach der Anerkennung der Freiheit im März „das Höllenfeuer der Zwietracht“ anzündete und durch Lügen und Intrigen wieder die Macht übernahm.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der gesamte „März-Almanach“ von der Reflexion über die Revolution von 1848 durchdrungen ist und die Erfolge (Märztage), die Ernüchterung (Paulskirche) und die Rückkehr der alten Mächte (Reaction) detailliert darstellt.
Adolf Glaßbrenner, [Pseudonym: Adolf Brennglas] März-Almanach. Mit vielen Ill. von Th. Hosemann, W. Scholz u. A. Leipzig: J. G. Mittler, 1849.