Haberland: Pauline


Christoph Hamann: 
Der romantische Tod auf der Barrikade.
Zu Benno Haberlands Novelle »Pauline«.


Am Vorabend ihrer Hochzeit mit dem Maler Franz beobachtet Pauline, die Tochter eines schon verstorbenen Leutnants, aus dem Landhaus an den Elbe, wo sie mit ihrer Mutter lebte, eine Menschenmenge, die nach Dresden strebte. Dort war die Revolution ausgebrochen an der sich, so ihre Ahnung, ihr Franz, seit jeher ein Freigeist, beteiligt war. Pauline schließt sich dem Zug an und findet ihren „geliebten Franz“, einen „Jüngling mit rabenschwarzen Lockenhaupt“, auf den Barrikaden kämpfend in dem Moment, als er tödlich vom Gegner getroffen stirbt. Statt mit ihr „hat er sich mit dem Tode vermählt“.

Verzweifelt über den Tod ihres Geliebten kämpft sie unerschrocken an seiner Stelle, „man fühlt“ auf der Barrikade eine „heilige Scheu vor dem kühnen Weibe.“ Sie verhindert auch die Bergung des Leichnams ihres Franz und „will mit ihm begraben sein“. In einem angreifenden Offizier erkennt Pauline ihren Bruder und erschießt ihn und wird unmittelbar darauf selbst von drei Kugeln getötet. Der Angriff der Soldaten wird zurückgeschlagen. Die Kämpfer bekränzen die „heiligen Leichen mit grünen Zweigen und legten sie zur Ruhe“:

Vertiefung: literarisches Motiv  der romantische Tod

Wie zwei Jahre später Ludwig Köhler (Ludwig Köhler: Tochter der Barrikaden) verarbeitet Haberland die historisch verbürgte Geschichte des Dienstmädchens Pauline Wunderlich. Er entpolitisiert und romantisiert die Handlung jedoch und macht aus dem Barrikadenkampf eine Familien- und Liebestragödie. Pauline folgt dem Geliebten nicht an den Altar, sondern in der Tod und ist mit ihm vereint im Grab. Sie gibt aus Verzweiflung ihr Leben für die Ideen und den Tod das Mannes hin. Dieses romantische Motiv wurde in der zeitgenössischen Presseberichterstattung häufig aufgegriffen, um dem Barrikadenkampf, so ein Bericht von 1849, den Anstrich von Romantik zu geben. Die historische Frauenforschung erkennt in diesem Motiv eine dezidiert männliche Wahrnehmung und Interpretation des historische Ereignisses. Die Frau folge dem Mann bedingungslos, wohin auch immer. Wie die Unterlagen des Strafprozesses gegen Pauline Wunderlich zeigen, war aber Rache für den Tod des Geliebten tatsächlich ein Motiv für sie. Anders als die Novelle es darstellt, suchte Pauline Wunderlich aber nicht den Tod, sondern floh nach der Niederlage. 


H.B[enno] Haberland, Pauline. Eine Novelle, in: Frauen-Zeitung, Nr. 7, 2.6.1849.
Christoph Hamann: Geschlechterbilder. Frauen auf den Barrikaden 1848/49 – historische Fakten und politische Rezeption, in: Jahrbuch der Hambach-Gesellschaft, 31 (2024), S. 147-174.


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