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Basierend auf den vorliegenden Auszügen handelt es sich um das Werk „Das Parlament zu Schnappel.“, herausgegeben von Hoffmann von Fallersleben, nach „stenographischen Berichten“.
Der Text ist keine fortlaufende Erzählung im Sinne eines Romans mit einer durchgehenden Handlung wie Auerbachs „Neues Leben“, sondern eine Sammlung von Dialogen, Anekdoten, Witzen, Geschichten und Kommentaren einer Gruppe von Männern, die sich regelmäßig im Gasthof „Zum Kronenwirth Wieduwilt zu Schnappel“ treffen. Diese Runde versteht sich als eine Art informelles „Parlament zu Schnappel“, in dem „der Mensch“ als „Kanon“ auf diesem „Nationaltheater“ agieren soll. Die Teilnehmer repräsentieren verschiedene Berufe und Perspektiven der bürgerlichen Gesellschaft (Postmeister, Friedensrichter, Doktor, Rentner, Roßtäuscher, etc.).
Die gescheiterte Revolution von 1848 ist ein zentrales, wenn auch oft indirekt oder satirisch behandeltes Thema der Gespräche. Die Charaktere diskutieren die Folgen der Ereignisse, die Hoffnungen, die sich zerschlagen haben, und die neue politische Realität.
Wichtige Bezugspunkte zur Revolution und ihren Folgen sind unter anderem:
- Die enttäuschten Hoffnungen auf Freiheit und Einheit: Die „armen Franzosen“ seien immer betrogen worden. Deutschland sei heute nicht frei und eins, obwohl es die Frauen so gewollt hätten. Die Idee der deutschen Einheit wird skeptisch betrachtet. Man fragt, ob nach der Revolution nicht alles vorbei sei, da Europa „faul durch und durch“ sei.
- Die Paulskirchenversammlung wird häufig verspottet. Sie wird als „Nationalversammlung“ oder „Reichsversammlung“ bezeichnet. Ihre Mitglieder, insbesondere die „Volksvertreter-Professoren“, werden kritisiert und als ineffektiv dargestellt. Ein satirisches „Verzeichniß der nachgelassenen Gegenstände und Effecten“ der „hochseligen Frau Nationalversammlung, verwitwete Deutsch, geb. Volkssouveränität“ listet unter anderem „Professorenweisheit“, „abgedroschene Phrasen“, „stenographische Protocolle“ über das, was nicht getan wurde, und den „Embryo eines deutschen Kaisers“ in Spiritus. Die „Grundrechte des deutschen Volkes“ und die „Reichsverfassung“ werden als „defect und zerrissen“ beschrieben, nur noch „brauchbar zu Tüten“.
- Die Rückkehr zur Reaktion und die Einschränkung der Freiheiten: Es wird festgestellt, dass es mit der „Preß- und Redefreiheit“ vorläufig vorbei sei und man allmählich wieder in die Zeit des „alten Bundes“ (Deutscher Bund) zurückkehre, wo es ein „Verbrechen“ sei, „etwas Mißliebiges zu sagen“. Die Demokratie im März 1848 sei auf die Revolution gegangen, habe einen guten Platz haben wollen, aber „endlich einen Sperrsitz erwischt“.
- Die militärische Präsenz und Bürokratie der neuen/alten Ordnung wird erwähnt.
- Die Desillusionierung der Charaktere: Mancher beklagt, dass man „Alles vertrinkt“ – Sorgen, Unglück, Freiheit und Knechtschaft. Man könne die „neueste Zeit“ nur noch „scherzando“ behandeln, um sich nicht ins „Gallen fieber“ zu ärgern. Die Revolution habe dazu geführt, dass die Franzosen einen Fürsten weniger haben, die Deutschen aber einen mehr.
- Der Kontrast zu den Befreiungskriegen von 1813: Diese werden von Krebs, einem Veteranen, mehrmals erwähnt. Die Kosaken von 1813 werden diskutiert. Dies dient oft als Vergleichspunkt, um die aktuelle politische Situation negativer erscheinen zu lassen.
Neben der Politik der Revolutionszeit werden viele weitere Themen durch Anekdoten und Witze beleuchtet:
- Sprache und Dialekte: Die Vielfalt der deutschen Mundarten wird diskutiert. Die Notwendigkeit einer Einheitssprache für ein einiges Volk wird betont, wobei „Hochdeutsch“ als Schriftsprache und Sprache der Gebildeten hervorgehoben wird. Sprachliche Missverständnisse und regionale Eigenheiten sind eine häufige Quelle für Humor.
- Literatur und Dichter: Goethe und Schiller werden mehrfach erwähnt. Es gibt eine „Göthes- und Schillerpartei“ in Deutschland. Klopstock wird diskutiert, insbesondere sein „Messias“. Tieck wird erwähnt. Die Frage, ob Goethe und Schiller Volksdichter waren oder Hof- und Schulpoeten, wird aufgeworfen.
- Soziale und gesellschaftliche Beobachtungen: Es gibt Kommentare zu den Rollen von Männern und Frauen. Kritik an Adel, Bürokratie, und Philistern. Es wird über die Armut und Hungerleiderei in Teilen Deutschlands gesprochen.
- Alltägliche Widrigkeiten: Druckfehler in Büchern werden mit zerstreuten Äußerungen verglichen. Die Schwierigkeiten des Lebens und die Suche nach Trost werden angesprochen.
- Humor und Witze: Witze und Anekdoten sind das vorherrschende Kommunikationsmittel. Es gibt eine Meta-Diskussion über das Erzählen von Geschichten. Der Berliner Witz wird als besonders schlagfertig gelobt.
- Identität und Herkunft: Regionale Identitäten (Hamburger, Sachsenhäuser, Schwaben, Schlesier, etc.) werden durch Dialektbeispiele und Stereotypen dargestellt. Die jüdische Identität wird durch den Charakter Itzig und entsprechende Witze/Geschichten thematisiert.
Das „Parlament zu Schnappel“ bietet somit durch seine fragmentarische Form und den Einsatz von Witz und Ironie ein Stimmungsbild Deutschlands nach der Revolution von 1848. Die Gespräche spiegeln die Enttäuschung über das Scheitern der nationalen und liberalen Bestrebungen wider, thematisieren aber auch die zeitlosen menschlichen und gesellschaftlichen Eigenheiten. Humor dient dabei als Ventil und Mittel, die widrigen Umstände zu verarbeiten oder zu kommentieren.
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Basierend auf den vorliegenden Textauszügen lässt sich sagen, dass die Quelle keine direkte chronologische oder deskriptive Darstellung der Revolution als historisches Ereignis bietet. Sie thematisiert aber sehr wohl, und das sehr prominent und vielschichtig, die Auswirkungen, Ergebnisse und die allgemeine politische und gesellschaftliche Lage nach der Revolution.
Hier sind die zentralen Aspekte der Thematisierung der Revolution und ihrer Folgen in der Quelle:
- Direkter Bezug auf den zeitlichen Kontext: Die Gespräche finden im Jahr 1849 statt, also nach den Hauptgeschehnissen der Revolution von 1848/49. Dies wird explizit durch die Datumsangaben der Sitzungen (Sonntag, Montag, Dinstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag) im August und November 1849 deutlich. Der 28. August 1849 wird als Goethes hundertjähriger Geburtstag gefeiert, was den zeitlichen Rahmen festlegt.
- Enttäuschung über die Ergebnisse: Die Revolution wird als gescheitert oder zumindest als weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben dargestellt.
- Die Revolutionäre hatten das Ziel, Freiheit und Selbstständigkeit zu erreichen, aber das Ergebnis wird als das Gegenteil gesehen.
- Reineke spricht zynisch davon, dass sie durch die Revolution einen Fürsten mehrbekommen haben, im Gegensatz zu den Franzosen, die einen weniger hatten.
- Die Grundrechte werden als „desect und zerrissen“ beschrieben und nur noch „brauchbar zu Tüten“. Reineke nennt sie gar „nur Spielkarten gewesen“.
- Die Nationalversammlung wird als „hochselige Frau Nationalversammlung, verwittwete Deutsch, geb. Volkssouveränität“ bezeichnet, deren Nachlass versteigert wird. Sie wird als „Wurstparlament“ oder „Comödiantengesellschaft“verspottet.
- Die Centralgewalt wird als mangelhaft und ohne tatsächliche Macht dargestellt, der das „Centrum noch und die Gewalt“ fehlt.
- Der Embryo eines deutschen Kaisers wird „in Spiritus gesetzt“, was die gescheiterten Einigungsbestrebungen symbolisiert.
- Die gesamte „neueste Erhebung“ wird als „Puppenspiele“ abgetan, bei dem die besten Akteure eingesperrt oder verjagt wurden.
- Kritik an den Akteuren und der politischen Elite:
- Politische Figuren wie Gagern, Dahlmann, Bassermann, Biedermann, Mathy, Sylvester Jordan, Beseler werden in einer spöttischen Litanei aufgerufen.
- Es gibt Anspielungen auf „unerbittlichen Gegner der Juden“ und „humaner und billiger denkende Kristen“ im Kontext der Annäherung, was auf die politischen Debatten um jüdische Emanzipation hinweist.
- Die „besten Männer“ des Volkes werden kritisiert, weil sie Begriffe wie Freiheit, Recht, Tugend anders verstehen als das Volk selbst.
- Es wird eine „freiheitfeindliche Partei von Junkern, Pfaffen und Soldaten“genannt, die das Schicksal des Volkes in Händen hält und dessen heiligste Rechte mit Füßen tritt. Diese werden auch als „Zurücker“ bezeichnet.
- Es gibt eine „Camarilla“, die nur ihr eigenes Beste verfolgt.
- Selbst loyale Militärs fühlen sich von den „großen Herren“ betrogen, da ihre Verdienste nicht anerkannt werden und ihre Pensionen dürftig sind.
- Der russische Kaiser und seine Ansichten über den wahren Glauben und Aufruhr im Westen werden erwähnt, was auf internationale politische Spannungen und den Gegensatz zum westlichen Liberalismus verweist.
- Darstellung der politischen Zustände:
- Es herrscht allgemeine „Aufregung und Unruhe“, die zu „Erschlaffung, Täuschung und Mißvergnügen“ geführt hat.
- Die Zeit wird als „gefahrdvolle Zeitläuften“ bezeichnet, in der es gefährlich ist, witzig gegenüber der Polizei zu sein.
- Das Denunziationswesen wird erwähnt.
- Die Presse- und Redefreiheit wird als eingeschränkt betrachtet, und das „Raisonniren“ (diskutieren/räsonnieren) wird von Obrigkeiten ungern gesehen oder gar verboten.
- Es gibt eine „Sprachverwirrung“ und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Hochsprache wird als Bedingung für politische Einheit und Freiheit diskutiert.
- Die „sociale Frage“ und der „Krieg zwischen Arm und Reich“ werden thematisiert, wobei die Armen die Reichen als „Schweinhunde“ bezeichnen.
- Humor und Satire als Bewältigungsmechanismus: Die Revolution und ihre Folgen werden stark durch Witze, Anekdoten, Wortspiele und satirische Beobachtungenkommentiert und verarbeitet.
- Die Gespräche sind voller Geschichten, die oft eine politische Spitze haben, auch wenn sie scheinbar harmlos beginnen (z. B. die Geschichten über jüdische Charaktere, militärische Anekdoten, Beamtenwitze, oder die Tiergeschichten mit politischem Unterton).
- Die „Versteigerung des deutschen Reiches“ ist ein Höhepunkt der politischen Satire.
- Der Humor wird explizit als Mittel genannt, um mit der traurigen Realität umzugehen und nicht „gallig“ zu werden, oder um die „tragischsten Zeitläufte“„scherzando“ zu behandeln.
- Die Fähigkeit, über die Zustände zu lachen, wird als Zeichen dafür gesehen, dass das Volk noch nicht verloren ist und noch Lebenskraft besitzt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die meisten Hauptfiguren, insbesondere diejenigen, die sich aktiv an den politischen Diskussionen beteiligen (Reineke, Stromer, Ahrens, Dr. Gift, Brenneke, Mappes), eine deutliche Enttäuschung und Desillusionierung über den Ausgang der Revolution von 1848 zeigen. Während einige, wie Reineke und Stromer, offen kritisch und republikanisch gesinnt sind, halten andere wie Krebs und v. Hurlibaus an konservativen oder militärischen Werten fest, wenngleich auch sie persönliche Unzufriedenheit äußern. Mappes vertritt eine vorsichtige, abwartende Haltung. Charaktere wie Äppelmeyer, Mäusle, Ragotzi und Nöleke nutzen Humor und Anekdoten, um die ernste Realität zu kommentieren oder sich teilweise davon zu distanzieren. Itzigs Erfahrung beleuchtet die Rückschritte bei der Emanzipation der Juden. Insgesamt zeichnet der Text ein Bild einer Gesellschaft, die die hohen Erwartungen der Revolution nicht erfüllt sieht, aber versucht, auf unterschiedliche Weise damit umzugehen.
Die Quellen betonen auch, dass ein Großteil des deutschen Witzes in den Metropolen Berlin, Wien und bei den Juden konzentriert ist. Zudem wird auf die Witze aus spezifischen sozialen Gruppen verwiesen, wie Soldaten und Offizieren, Handwerkern und Bauern, und Studenten, deren Geschichten oft einen regionalen Bezug haben. Es gibt auch „Sprachfehler“ oder „Naivetäten“, die oft bestimmten Regionen oder Personengruppen zugeschrieben werden.
An den Gesprächen der Stammtischrunde im „Parlament zu Schnappel“ nehmen regelmäßig verschiedene Männer teil. Die Runde trifft sich beim Kronenwirth Wieduwilt zu Schnappel und besteht aus „lauter gute[n] Kerle[n]“, die aus unterschiedlichen Lebensbereichen kommen und verschiedene Ansichten, Meinungen und Bildungsgrade besitzen.
Hier ist eine umfassende Liste der Personen, die in den Quellen als anwesend („Gegenwärtig“) genannt werden oder ausführlich beschrieben sind:
- Ahrens: Rektor der Realschule, ein geborener Hamburger. Er hat eine „außerordentliche Darstellungs- und Vortragsgabe“ und kleidet sich je nach Wetter und Jahreszeit immer anders.
- Äppelmeyer: Stadtphysikus. Er ist stets guter Laune, drollig, belesen und hat ein erstaunliches Gedächtnis. Sein Spitzname ist „der Stille“.
- Bonjour: Früher ein französischer Sprachlehrer, jetzt Rentner. Er ist allmählich Republikaner geworden.
- Brenneke: Postmeister, ein geborener Berliner, stets aufgeräumt und unterhaltend.
- Dr. Gift: Gelehrter und Mediziner. Er ist ein geistreicher, vielseitiger Gelehrter mit umfangreichem Wissen und Erfahrungen.
- Happelius: Stadtpfarrer, eine „gutmüthige Seele“, duldsam, aufgeklärt und oft heiter. Sein Spitzname ist „der Melancholische“.
- v. Hurlibaus: Ein pensionierter Hauptmann. Er ist gutmütig, aber eingenommen für seinen Stand, poltert und schimpft gerne und würzt seine Geschichten mit Ausrufen wie „Bomben und Granaten!“.
- Itzig: Auch bekannt als Wolf Itzig oder W. Itzig. Er ist Roßtäuscher, sehr witzig und dreist, erzählt viel von sich, was er nie erlebt hat.
- Krebs: Rendant und ehemaliger Offizier der Freiheitskriege. Er ist ein Anhänger des bürokratischen Systems und wird wegen seiner ständigen Bezugnahme auf die Freiheitskriege „der Demagoge“ genannt.
- Mappes: Bürgermeister. Er ist ein tüchtiger Geschäftsmann, der sich für freisinnig hält, aber eine konservative Haltung zeigt, indem er bei politischen Themen vorsichtig ist und oft „Das wäre! Ist es möglich! Seh ein Mensch an!“ sagt.
- Mäusle: Ein Schwabe, Spediteur und Agent. Er ist gutmütig, hat aber einen „kleinen Hängekinn und Hängebauch“ und wird daher „der Beleibte“ genannt, im Gegensatz zu Ragotzi, dem „Beliebten“.
- Nöleke: Materialist und Kaufmann. Er gilt als zärtlicher Familienvater und freundlicher Nachbar. Seine Erzählweise ist die eines Kleinkrämers und er wird „der Kurzweilige“ genannt.
- Ragotzi: Ein geborener Wiener, früher Blutigelhändler, jetzt Rentner. Er ist eine freundliche, lebenslustige Persönlichkeit, die stets lächelt und wird aufgrund seiner Schmächtigkeit und Gewandtheit „der Beliebte“ genannt.
- Reineke: Friedensrichter. Er ist meist ironisch, mitunter beißend und bitter, und scheint ein entschiedener Republikaner zu sein. Man nennt ihn ironisch „den Gutmüthigen“.
- Stromer: Zigarrenreisender und Weinhändler en gros. Er gilt als Sozialist und Freigeist und wird „der Glücklichmacher“ genannt, weil er alle Welt beglücken will.
- Wieduwilt: Der Kronenwirth. Er ist dienstfreudig, höflich, gefällig und mischt sich selten in die Gespräche seiner Gäste ein, obwohl er sich stets gefallen lassen muss, dass sein Wein als schlecht und zu teuer befunden wird.
Hoffmann von Fallersleben (Hg.): Das Parlament zu Schnappel: nach stenographischen Berichten hrsg. von Hoffmann von Fallersleben. Bingerbrück: Selbstverlag, 1850; Düsseldorf: Commissions-Verlag der Schaub’schen Buchhandlung, 1850.